Wir wollten in die Berge, wir kamen in die Berge. Recht zügig brachte uns der Bus, den wir mit viel Glück angelten (im Libanon gibt es keine festen Routen und schon gar keine feststehenden Abfahrtszeiten im Personennah- und Fernverkehr), nach Ehden. Bloß blieb die ganze Zeit unklar, ob es sich bei dem Bus um ein öffentliches Transportmittel oder um eine Familienkutsche handelte. Die Insassen verschiedenstem Alter schrien nämlich durchweg durcheinander, warfen sich Handys zu und turnten durch das enge Gefährt. Unser neuer Host John/Jean gabelte uns in der Dorfmitte auf und fuhr uns in seinem SUV nach Hause. Dort staunten wir nicht schlecht, denn die uns zugedachte "Couch" stand in einem riesigen, burgähnlichen Gebäude mit Türmen und großer Garage. In dieser zeigte uns unser sichtlich stolzer Gastgeber sein Hobby-Sportwagen und seine Fahr- sowie Motorräder. Eine kleine Kostprobe des Autosounds später, durften wir die Burg betreten und verfielen in kurze Schockstarre. Da unser Host das Haus ganz alleine bewohnt und selten daheim ist, heizt er seine Räume nicht und es war trotz mehrer Lagen Kleidung kaum aushaltbar in dem großen Wohnzimmer. Dementsprechend waren wir froh, uns das Dorf zeigen lassen zu können und der Kältehölle zu entfliehen. Zwar wurde zum Abendessen die Heizung angestellt, doch merklich wärmer wurde es nicht. Erst als wir bei Nuss und Bier am Kamin saßen, wurde es etwas angenehmer und wir gingen angewärmt in unsere Etage und dort zu Bett. Möglicherweise interessant zu wissen ist auch, dass Libanesen nicht nur sehr große, sondern auch sehr viele Häuser haben (wollen). Zumindest ein Haus am Meer und eins in den Bergen sollte man haben, damit man im Sommer nett wandern und im Winter der Kälte entfliehen kann. Durch die vielen Hin- und Herziehenden hat Ehden im Winter ca. 500, im Sommer mehr als 10.000 Einwohner. Auch ein beliebtes Hobby, neben dem Häuser besitzen, ist das Jeep und Schneemobil fahren, wie wir am nächsten Tag herausfinden sollten. Nach einer leckeren Frühstückspizza waren wir nämlich zum Wandern verabredet mit unserem Host und seinen Kumpels. Die Wanderung war tutti, angehängte Bilder sprechen für sich. Leider blieb es nicht nur bei der ausgiebigen Wanderung, auch musste der männliche Teil unserer Reisegemeinschaft am Abend noch eine Stunde intensiv Fußballspielen, sodass das Abendessen bei der netten Familie, die uns freundlicherweise alle eingeladen hatte, mit schmerzenden Gliedern eingenommen wurde. Es gab übliches, dünnes Brot, gegrilltes Hühnchen, Weizentopf mit Tomate, Salat mit Zitrone und viele viele Knabbereien. Die anwesenden jungen Herren bedienten sich anschließend den mitgebrachten Shishas, die im Libanon immer und überall geraucht werden. Wir schliefen eine weitere Nacht im kalten Schloss und es ist uns hoch anzurechnen, dass wir uns lediglich einen Schnupfen im frostigen Heim holten. Viel erlebten wir auch am folgenden Tag. Schwer bepackt machten wir uns auf unsere schafswollenden Wandersocken und liefen das pitoreske Kadisha-Tal nach Bsherri. Dort schnappten wir uns per Anhalter ein aufgedrehtes libanesisches Pärchen und düsten zum Zedernwald in die Höhe. Dort war es voll, doch sehr anschaulich und wir genossen die Aussicht bis wir uns von einem Optiker und Deutschlandfan wieder ins Tal kutschieren ließen. Dort liegen wir nun, etwas verschwitzt in unseren Daunenschlafsäcken, lauschen dem Rauschen des rauschigen Bergbaches und ruhen satt von dünnem Brot und Dosenfleisch.
Verschnupft und sporadisch gewaschen,
Sinja und Conrad
Sinja und Conrad
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