Die 17 stündige Zugfahrt von Hyderabad nach Lahore verlief smooth wie Kaschmirwolle. Wir schliefen wohlig auf den engen Liegen und konnten schnell die lauten Rufe der immer wiederkehrenden Essens-, Süßigkeiten- und Teeverkäufer ignorieren. Auch die mit Gewehr bewaffneten Sicherheitsleute, die regelmäßig durch den Zug schlenderten, bemerkten wir nur im Augenwinkel und schlummerten gemütlich im wackelnden Zug. Es ist Zeit anzumerken, dass Pakistan gefüllt ist von schwerbewaffneten Sicherheitsleuten, Polizisten, Militärpolizei und dem Militär selbst. Im Süden seltener, im Norden öfter gerät man in etwas nervige Pass- und Sicherheitskontrollen. Doch meist sind die Verantwortlichen ganz nett und man kann nach einigen Fragen die Fahrt fortsetzen. Zurück nach Lahore. Dort wurden wir vom Fahrer unseres nächsten Hosts abgeholt und direkt in unsere neue Bleibe gefahren. Das wohl größte Haus und schickste Anwesen, dass wir in unserem Leben je bewohnt haben. Unser schwerreicher Gastgeber hatte Anwaltskanzleien in London und Pakistan und hostet gerne Reisende aus Europa, Australien und Amerika. Nach einem kleinen Frühstück in der sehr großen Küche, serviert von einem der vielen dauerhaft angestellten und anwesenden Angestellten, wollten wir uns die Stadt anschauen. Da wir das Rikscha- und Busfahren mittlerweile etwas leid sind, fragten wir unseren lieben Host, winkend mit dem Zaunpfahl, ob man in Lahore ein Motorrad mieten könne. Er wusste darauf keine Antwort, jedoch fand sich ganz zufälligerweise ein freies Motorrad im Schuppen, welches uns vollgetankt zur Verfügung gestellt wurde. Etwas verschwitzt durch Helm, Lärm, Verkehr und das Fahren/Navigieren, erreichten wir die schicke Altstadt von Lahore. Diese lässt sich wirklich sehen und man kann authentischste Gewürzstraßen, Fressbuden und Zuckerrohrsaftverkäufer bestaunen. Wir schlemmten einige Leckereien und liefen durch das große Getümmel, das sich teils in zähe Menschenmassen verwandelte. Als wir gerade etwas Ruhe und Kekse genießen wollten, wurden wir in das Wohnzimmer eines ehemaligen Wrestlers gezogen und genossen dort einen leckeren Tee und recht viel Passivrauch. Am Abend erkundeten wir die große Moschee und trafen uns mit einem anderen Couchsurfer und seinen Freunden. Der neue Freund war Journalist bei der BBC und wir schauten uns das christliche College und dessen schicke Gebäude an. Etwas müde erreichten wir das Haus unseres Hosts und fielen erschöpft ins Bett. Der nächste Tag sollte nicht entspannter werden. Zum zweiten Frühstück trafen wir uns mit einem weiteren Couchsurfer und besuchten nach Kichererbsen, fettigen Brotfladen und süßem Lassi seine kleine Fabrik, in der (mit viel Handarbeit) Bremskabel und Plastikteile hergestellt werden. Wir tranken wieder einmal Tee und verabschiedeten uns, um in das Lahoremuseum einzukehren. Dort war es nett, doch lief uns die Zeit davon, wir wollten der Grenzzelebration zwischen Pakistan und Indien beiwohnen. Leider lenkte uns Google maps auf den, für Motorräder eigentlich geschlossenen, Highway und wir wollten nach der Schranke eigentlich umdrehen, bis uns ein aufmerksamer Polizist bat, doch bitte weiterzufahren. Als Gäste des Landes durften wir also mit unserem kleinen Kraftrad auf dem riesigen Highway fahren, überholt von geschwinden Autos und LKW. Leider hatte unser Polizist seinen Kollegen nicht Bescheid gegeben und wir wurden nach kurzer Zeit mit Blaulicht und Sirene von der Straße geholt. Doch auch hier reichte ein kurzes "Hallo" und "We are from Germany" und man wünschte uns eine gute Weiterfahrt. Als uns dann ein dritter Polizist anhalten wollte und wir schon mit bangen Blick auf die Uhr schauten, schätzten wir die Situation richtig ein und fuhren einfach weiter. Der Ordnungshüter konnte uns ohne Gefährt sowieso nicht einholen. Schweißgebadet verließen wir die große Straße und schlängelten uns durch ewig viele Sicherheitskontrollen und den üblichen Verkehr an die Grenze. Wieder einmal nützte uns unser Ausländerstatus und wir konnten auf guten Plätzen dem Routinespektakel zuschauen. Die Pakistanis um uns herum flippten total aus und auch wir wurden von der flotten Stimmung erfasst. Frohen Mutes machten wir uns auf nach Hause uns warteten dort auf unsere neuerlangten Freunde vom Vortag. Diese hatten uns, als Polizisten, einen Besuch in der neuen Überwachungszentrale im strengstens geschützten Polizeihauptquartier von Lahore verschafft. Wir schauten uns einige zu erwartende Räume an, doch als wir den großen Überwachungsraum betraten, kamen wir aus dem Staunen nicht mehr heraus. Krasser als in jedem Hollywoodstreifen, standen wir vor einer riesigen Wand, an der dutzende Live-Übertragungen von Überwachungskameras, die in der ganzen Stadt verteilt sind, liefen. Davor saßen an hunderten Bildschirmen Polizisten und beobachteten die gefilmten Orte. Ich könnte nun viel über mein Entsetzen und Gedanken an orwellsche Überlegungen erzählen, halte mich jedoch aufgrund von Angst vor dem pakistanischen Geheimdienst etwas zurück und träume alleine Albträume von Gesichtserkennung und massenweiser Speicherung sensibelster Daten, überwacht von Chinesen, die die komplette hard- und software stellen. Nach dieser etwas bestürzenden aber sehr sehr interessanten Erfahrung fuhren wir in das Haus neuer Freunde (Ali und Saira), die uns zum Tee einluden. Dort trafen wir einen sehr reichen und redseligen pakistanischen Briten, der uns als hundertste Person zum Essen bat. Der nächste Tag wurde nicht weniger stressig gestartet und wir frühstückten früh bei Ali und Saira, bevor wir mit dem reichen Briten im schicken Clubhaus noch einen Tee tranken. In der, von hohen Armeetieren und reichen Leuten bewohnten Gegend ist es ruhiger, grüner und wesentlich besser bewacht. Das Clubhaus ist eine grüne Idylle inmitten der staubigen und lauten Stadt, reserviert für die Elite, die sich entweder im Land oder im Ausland so bereichert, dass sie sich den Luxus leisten kann. Genug Tee im Magen machten wir uns auf in ein Dorf nicht weit von Lahore. Dort trafen wir an einem Stahlbeton-Monument einen sogenannten Sufi, der uns in die Tiefen des Sufismus einführte, natürlich auch zu Tee einlud und uns die nette Umgebung zeigte. Zwischendurch wurden etwas bewusstseinserweiternde Stoffe geraucht und die Stimmung wurde wolkiger. Etwas high raste unser Fahrer durch den abendlichen Verkehr und setzte uns einige Zeit später Zuhause ab. Dort aßen wir lediglich etwas Hähnchen mit Brotfladen und packten unsere Sachen. Auch etwas rasend brachte der Fahrer unseres reichen Hosts uns, Ali und Saira zum Busbahnhof, von dem wir die etwas längere Reise nach Swat antraten. Doch von unserer Reise in die Berge soll im nächsten Blog berichtet werden.
Auf kleinen Zuckerrohrstückchen kauend,
Conrad und Sinja
Conrad und Sinja
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