Eine Frau fährt Motorrad - Wandel durch uns in Pakistan

Den Tag unserer Ankunft in Hyderabad verbrachten wir mit dem introvertierteren Bruder unseres eigentlichen Hosts und durchstreiften das nicht weniger volle und verkehrsgeplagte Hyderabad. Auf dem Markt servierte man uns ohne jegliche Bedenken Joghurt gefüllte Teigspeisen und wir konnten die nächsten Bauchproblemchen förmlich schmecken. Dennoch zeigten wir uns fröhlich dankbar und schliefen recht spät in unserem großen Anwesen. Nach einem ausgiebigen Frühstück und frischster Milch aus eigener Kuh- und Büffelfarm bestiegen wir das wohlklimatisierte Auto unseres nun angekommenen Hosts und fuhren zum Sightseeing. Ein bescheidenes Museum, trüben Fluss und ein paar Gräber später, besuchten wir einen Landbesitzer im Dorf nebenan. Dieser lebte wirklich herrschaftlich und zeigte uns sehr offen seine Farm voller Mangobäume, Bananensträucher, Kornfelder und Kuhherden. Ausgiebig schnackten wir mit jugendlichen Pakistanis, die durch westliche Filme ein überaus verqueres Bild von unserem eigentlichen Leben haben. Wir holten sie auf den Boden der langweiligen Tatsachen zurück und verabschiedeten uns zum Abendessen im Dachrestaurant. Dort speisten wir lecker, quatschten mit unserem Host über dies und das und kehrten erschöpft in unsere Unterkunft zurück. Träumend von den pitoresken Weizenfeldern, die mit der Hand und ein paar Traktoren geerntet werden, versuchten wir so gut wie möglich im Luftstrahl des Ventilators zu bleiben um (a) nicht von tausend tobenden Mücken zerstochen zu werden und (b) nicht auszutrocknen bei den 30° in unserem stickigen Stadtzimmer. Später als gedacht und mit ein paar Kohletabletten im Magen starteten wir am nächsten Tage unsere Tour zur wirklichen langen Mauer des RaniKot-Forts. Die Fahrt dauerte ewig und wir hatten viel Zeit die wüstenartige, ausgestorbene Umgebung zu betrachten und tiefe Gespräche mit unserem religiösen Host zu führen. Nach und nach taute er auf und erzählte uns von seinen jugendlichen Erfahrungen, die jedes Heranwachsen im Westen langweilig erscheinen lassen. Trotz schwerer Religiösität und Traditonsbewusstseins scheint es doch Möglichkeiten für Jugendliche zu geben, schon vor der Ehe ein bisschen auf Tuchfühlung mit dem anderen Geschlecht zu gehen. Etwas verwundert war er nur, als ich nicht das Verlangen bekundete, eine zweite Frau zu nehmen und erzählte, wie schwierig es mittlerweile war, in Pakistan mehrere Frauen gleichzeitig zu haben. Die Mauer war nicht super spektakulär, doch die Aussicht war nett und wir schauten den Schulklassen zu, die schier endlos aus und von den Schulbussen purzelten. Am Abend gingen wir auf den überfüllten Basar und schauten uns in immer wiederkehrender Reihenfolge Juweliere, Klamottengeschäfte, Haushaltswaren und Nussstände an, während uns jeglicher Schund, der günstig aus China importiert wird, angeboten wurde. Der Host kaufte Sinja etwas Goldschmuck und wir schossen frohen Gemüts nach Hause. Dort sprach Sinja, Conrad ist leider bei den Damen in pakistanischen Heimen nicht willkommen, mit den vielen Verwandten unseren Hosts und musste der Großmutter beichten, dass sie nicht vorhatte, zum Islam zu konvertieren. Gut wäre es, denn die erste Frage einiger Pakistanis zielt darauf, die Religion von uns festzustellen. Wild wurde es am heutigen Tag. Wir frühstückten mit einer Hong Kongerin, die seit Monaten allein mit dem Fahrrad durch Pakistan fährt und einer Französin, die sich in Islamabad als Yogalehrerin versucht und konnten unseren lieben Host dazu überreden, mal mit seinem Motorrad zu fahren. Es klappte so hervorragend, dass wir beim Ausflug zum schicken Grabmal eine Sufis gleich auf dem Motorrad hinter unseren Begleitern herdüsten. Auch zum Restaurant schafften wir es noch mehr oder weniger entspannt entgegen einiger völlig verstopfter Einkaufsstraßen und im tobenden Verkehr. Doch leider wärte die Freude über die sechs schwere, hässliche Gläser, die wir im Restaurant vom Eigentümer geschenkt bekamen nicht lange, denn wir wurden von der schwerbewaffneten Militärpolizei herausgewunken. Zu bemängeln gab es, dass wir einerseits ohne gültige Zulassung ins gesperrte Gebiet gefahren waren und dass Sinja lasziv ohne Kopftuch unterwegs war. Wir mussten unsere Fahrt in der Rikscha fortsetzen und schauten uns eine Schule an, die wenig Spaß zum Lernen versprach. Wir kamen zurück in unser Wohnviertel, in dem sich bereits rumgesprochen hatte, dass eine Frau Motorrad gefahren war und besuchten, verfolgt von einer Horde Kindern, eine befreundete Familie, die in ihrem viertelfertigen Rohbau lebt. Zum Packen unserer Sachen mussten wir die ebengenannte Schar Jungen und Mädchen mit sanfter Gewalt aus unserer Bleibe treiben und machten uns bereit für die lange Zugfahrt nach Lahore. Eigentlich wollten wir einen Zwischenstopp in Multan einlegen, doch einerseits erlaubte es das Militär keinem unserer Hosts uns aufzunehmen und andererseits haben wir langsam genug von heißen, vollen und lauten Städten. Nun fahren wir gemütlich 17 Stunden im kuscheligen Schlafabteil an die indische Grenze und vergnügen uns auf unseren engen Pritschen. Eigentlich hatten wir vor unser sich häufendes Geld (unser Host in Hyderabad bezahlte nicht nur Goldschmuck, sondern auch jedes Essen und Vergnügen) im Zug auszugeben, doch so viele große Mahlzeiten für 1,50 € können wir selbst mit durchfallentleertesten Magen nicht essen. Vielleicht lässt man uns in Lahore ja etwas selbst bezahlen, bis dahin sind es jedoch noch 15 Stunden und wir haben noch einige Kilometer zurückzulegen.
Liebe Grüße aus dem Zug,
Conrad und Sinja











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