Wir besteigen einen Berg


Die Nacht im grassierend günstigen Hotel in Martuni war, auf Grund unserer überall ausgelegten klammen Klamotten und Zeltteile, warm und diesig, dennoch verweilten wir außerordentlich frivol im heruntergekommenen Schlafetablissement. Am morgen frühstückten wir unser übliches Festmahl in Form eines frischen Snickers und begaben und schwer bepackt in Richtung des kleinen Dorfes Madina. Auf dem Weg stoppten wir uns ein fröhliches Rentner-Ehepaar, die uns ein paar Kilometer in die gewünschte Richtung mitnahmen und uns einen wirklich ungenießbaren Apfel schenkten. In Madina suchten wir uns unverholen eine Familie, die noch unter unserer Gastschaft leiden sollte. Zuerst fragten wir schön schüchtern und ziemlich zurückhaltend nach der Auffüllung unserer Wasserflasche, dann aber, ob die netten Leute nicht auch auf unser restliches Zeug während der Wanderung Acht nehmen könnten. Das war selbstverständlich kein Problem und wir begannen mit wenig Verzehrung und Kleidung den Aufstieg des Berges, dessen Namen man auf Google Maps nicht findet und ich deswegen vergaß. Mit einem ordentlichen Keuchen schleppten wir uns durch Schnee und Matsch den 3000 Meter hohen Berg hinauf, immer mit Blick auf die hervorragende Umgebung. Das Wetter wurde immer schlechter und als wir oben ankamen, kämpften wir uns gegen Nebel und orkanartige Böen zur sicheren Kapelle. Dort mussten wir auch mehr als eine Stunde ausharren, denn der Sturm stürmte derart, dass man sich nicht hätte auf seinen trainierten Wanderbeinen halten können. Irgendwann muteten wir uns dennoch den Abstieg zu und kämpften uns, verbunden mit einem dünnen Seil, damit niemand verloren geht, durch Nebel und Hagelregen. Die Hagelkörner pfiffen wie Eispfeile in unser Gesicht, dennoch konnten wir die Stelle des Abstiegs erreichen. Der Weg vom Berg hinab war wesentlich entspannter als der aufregende Aufstieg, denn wir rodelten einen guten Teil davon auf dem Packsack meines Rucksacks hinunter. Großartig gefährlich, aber außerordentlich außergewöhnlich! Unsere freundliche Familie machte sich schon große Sorgen um uns und fiel uns nach unserer rührenden Rückkehr in die Arme. Uns wurde ein wunderbares Mittagessen serviert und bei unserem Abschied viel Essen mitgegeben. Auf dem Weg zur großen Straße hielt neben uns ein netter Armenier, der uns ein Stückchen mitnehmen wollte. Anscheinend dachte er, wir wären nur zu Fuß unterwegs, denn er fuhr uns zwar in die richtige Richtung, doch setzte er uns einfach irgendwo in der einsamen Pampa aus, viele Kilometer von dem nächsten Ort entfernt. Lange brauchten wir trotzdem nicht zu warten, uns nahmen ein paar junge Jungspunde in ihrem SUV mit nach Jeghenatsor. Dort erstanden wir im lokalen super Markt Köstlichkeiten und machten uns auf die Suche nach einem angenehmen Plätzchen für die Nacht. Es dauerte einige Zeit, die auserwählte Person, durch die Blume, von ihrem Glück, uns in ihrem Garten hosten zu dürfen, zu überzeugen. Die Nacht war fröhlich und aufgrund des Wetters leider auch recht feucht und wir mussten am Morgen nicht nur Tee im Hause der Gastgeberin genießen, sondern auch unser Zelt in der sporadisch erscheinenden Sonne trocknen.
Wir trampten mit einem, in den Niederlanden arbeitenden, Armenier, zwei rasenden Jugendlichen, einem schweigenden Gönner und zwei lockeren Jeep-Fahrern nach Tatev und genossen ein mittelmäßiges, recht teures Mittagessen, bevor wir in Nieselregen und Nebel aufbrachen, zu unserer nächsten Wanderung. Zwar konnten wir keine zwei Meter weit schauen, dennoch stellten wir uns die Landschaft hervorragend vor und schlitterten die matschigen Hänge der südlichen Berge hinab. Unser Nachtlager schlugen wir unweit eines einsamen Hirten mit einem nervig bellenden Hund auf. Die Nacht verlief ruhig und entspannt, bis wir von dem Rascheln, Schaben und Schnaufen mehrerer Tierschnauzen an unserem Zelt geweckt wurden. Wir waren uns nicht sicher, ob uns nun armenische Wölfe, Wildschweine oder Braunbären Böses tun wollten, deshalb schritt ich zur allgemein tauglichen Abwehrmethode und beschimpfte die angreifenden Übeltäter lautstark als „blöde Schweine“ und pfiff in unsere Notfallpfeife. Mit viel Gebrüll und Gepfeife ließen sich die gemeinen Schlafstörer schnell vertreiben. Ein Blick nach Draußen offenbarte, dass es sich bei den schnaufenden Kreaturen nur um kulante Kühe handelte, auf deren Wiese wir genächtigt hatten. Nach dem Abbau unserer Schlafunterkunft und den restlichen Kilometern kamen wir in Harjis, dem Dorf und Ziel unserer Wanderung, an. Dort wurden wir, wie erhofft, von zwei Omas zum netten Osteressen eingeladen und genossen die feierlichen Köstlichkeiten. Wir unterhielten uns viel auf russisch und konnten das Herz der älteren Damen erhaschen. Zum Abschied wurden uns noch ein paar Stückchen selbstgemachter Kuchen zugesteckt und wir verließen gut genährt das kleine Dörfchen. Nach einer längeren Wanderung zum großen Highway nahmen und zwei Deutsche den ganzen Weg nach Jeghenatsor mit. Dort suchten wir, nach zwei schwitzigen Wandertagen und Nächten im Zelt, nach einer günstigen Unterkunft. Eine Polizistin beging den Fehler, uns nach unserem Wohlbefinden zu fragen und musste sich nun darum kümmern, uns eine passende Behausung zu suchen. Diese fanden wir bei Lussia, einer unfassbar aufgedrehten Dame, die mehrere Zimmer zu annehmbaren Preisen vermietet. Wir verbrachten den Abend damit, unseren angesammelten Schmutz vom Körper zu waschen und unseren, vorher erstandenen, Wodka und Wein zu genießen. Der besagte Schnaps hat nicht, wie üblich, einen Anteil von 40% Alkohol, sondern angenehme 62% und wir hoffen nun darauf, nicht unser geliebtes Augenlicht zu verlieren. Nun müssen wir aber auch wirklich ins Bett, morgen wird wieder gewandert.
Osterlich angeschwipste Grüße,
Concito und Franzicita











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