Die Schmerzen der Wanderung liegen noch tief in unseren jugendlichen Knochen, doch Zeit zum Ruhen bleibt uns Abenteuer Suchenden nicht. Wir wollen nach Kasachstan, unserem nächsten auserkorenen Reiseziel. Also machen wir uns am frühen Morgen mit unseren fein sortiert gepackten Reiserucksäcken auf, um ein Plätzchen an der Straße zu finden, die uns unserer Meinung nach an die Grenze führen sollte. Also arbeiteten wir uns schwer bepackt an die vermeintliche Straße vor und hielten unser liebevoll gemaltes Tramperschild hoch. Nach nur wenigen Minuten wurden wir von 2 Kirgisen jeweils freundlich darauf hingewiesen, dass wir an der falschen Straße stehen und die übliche Route am ganz anderen Ende der Stadt beginnt. Verloren wie wir wohl ausgesehen haben mussten nahm uns der zweite Hinweiser in seinem Auto zurück in das Zentrum von Karakol, von wo aus wir uns per Fuß aufmachten. Aus Spaß hielten wir schon in der Stadt unser Schild mit dem nötigen Zwischenziel für unsere Fahrt hoch, da hielten sofort zwei freundliche junge Männer, die uns in ihren Jeep klettern ließen. Zufälligerweise waren sie gerade auf dem Weg direkt an die Grenze, weil sie ihren Freund abholen mussten. So viel Glück muss man erst einmal haben! Pro Tag sind nämlich höchstens 4/5 Leute auf dem direkten Weg von Karakol an die Grenze und wir finden die richtigen Fahrer schon nach wenigen Sekunden mitten in der Stadt. Mit einem Affentempo heizten die jungen Kirgisen auf den eher weniger gut sanierten Straßen Richtung Kasachstan, wenn nicht gerade eine Kuh- oder Schafherde von berittenen Hirten auf der Straße langgeführt wurden. Die Kühe machten sich nicht viel aus dem Verkehr und quetschten mit aller Seelenruhe die Seitenspiegel von den wartenden Autos ein. Vor der Grenze wurde uns doch etwas mulmig und wir packten vorsichtshalber unser üppiges Reisegeld versteckerisch in unsere Socken. Die wirkliche Grenzanlage war sehr viel kleiner und knuffiger als erwartet und pro Landesseite wurden Ein- und Ausreise von 3 Grenzbeamten gesichert. Die Ausreise war super easy und nach wenigen Schritten befanden wir uns auf der kasachischen Seite. Dort bekamen wir zu allererst unseren Stempel, wahrscheinlich so zügig, weil der Grenzbeamte Elisas komplimentierte Augen so toll fand und wurden anschließend zur Taschenkontrolle direkt auf der Durchfahrtsstraße gebeten. Die Deutsch/Englisch/Russisch/Kirgisisch sprechenden Grenzbeamten waren sichtlich erleichtert, an der verlassenen Grenze etwas zu tun zu haben und inspizierten eifrig unsere Habseligkeiten, ohne wirklich den Anschein zu erwecken, irgendwas verbotenes zu suchen. Viel mehr quatschten sie freundlich mit uns und ließen uns laufen, als ihnen unsere Wandersocken doch etwas zu langweilig wurden. Ganz ohne Probleme in Kasachstan angekommen fiel uns erst einmal ein größerer Stein vom Herzen und wir überlegten, wie wir in die Kilometer weit entfernte Zivilisation gelangen sollten. Denn die Grenzregion war wirklich ein ewig weites, verlassenes Ödland. Also schlenderten wir, begleitet vom gemütlichen Grenzsicherheitshund die Schotterstraße von der Grenze weg entlang. An uns fuhren zwar einige Autos entlang, allerdings alle in die falsche Richtung nach Kirgisistan. Unsere Situation erkennend warfen uns kasachische Soldaten schmackhafte Äpfel aus ihrem Militärlkw zu, als sie uns passierten und grüßten uns wirklich freundlich. Nach einiger Zeit näherte sich endlich Rettung von hinten und wir stiegen in den Jeep von zwei Südkoreanern, die Kasachstan irgendwelche Gewächshäuser bauen. Auf die Frage, wohin wir denn wollten, wussten wir leider selbst keine Antwort und blieben einfach 2 Stunden lang im Auto sitzen und ließen uns in die Zielstadt der Autofahrer kutschieren. Etwas anderes blieb uns aber auch nicht übrig, denn unsere Vorräte beschränkten sich auf ein paar Bananen und 1,5 Liter Wasser. In Shonschi angekommen, musterten wir erst einmal die Lage und agierten anschließend wie eingespielte Profis. Während Elisa Hab und Gut mit Adleraugen bewachte und hervorragendes Lammkebab bestellte, huschte ich in Supermärkte und Banken, um Bargeld, eine Simkarte und Schnabbulierereien zu besorgen. Gesättigt und gut ausgerüstet wollten wir aber nicht wirklich in der staubig unschönen Stadt bleiben und peilten das einzige Grün auf Google Maps in der Nähe an. Die Fahrt sollte wohl die bemerkenswerteste unserer bisherigen Reise werden. Zwar war es erst 19:30, jedoch wirkte die Straße, die aus Shonschi hinausführte wie verlassen. Auf gut Glück und mehr aus Spaß winkten wir einem alten sowjetischen Krankenwagen zu, der unsere Notsituation mit fachgerechtem Auge erkannte und uns hinten in das klapprige Rettungsmobil einlud. Wir hatten viel Platz, da neben ein paar dünnen Liegen befanden sich nur zwei, drei Erste-Hilfe-Koffer im Rettungstransporter. Mit Übersetzungsapp und unseren begrenzten Russischkünsten versuchten wir dem Lebensretter klarzumachen, dass wir gerne in der Wildnis campieren wollten. Das wollte unser Gegenpart jedoch nicht so richtig verstehen und redete in einem unbeschreiblichen Tempo auf russisch auf uns ein. Irgendwann verstand er unser Anliegen, musste jedoch gestehen, dass er uns nicht viel weiter fahren konnte, da er anscheinend gerade Dienst hatte. Helfen wollte er uns dennoch und so lud er uns direkt vor einer Polizeistreife ab, die gelangweilt den kaum vorhandenen Verkehr beobachtete. Er schilderte den Ordnungshütern unsere Wünsche, ohne uns nach unserer Meinung zu fragen und verschwand recht schnell mit dem alten Rettungsmobil. Nun hatten uns die Polizisten an der Backe, die uns aus Mitleid erst einmal eine Packung Kürbiskerne schenkten, bis wir ihnen begreiflich machen konnten, dass wir wirklich freiwillig in der abgeschiedenen Wildnis zelten wollen. Nach etwas spaßigem Smalltalk wollten die grünen Freunde uns natürlich weiterhelfen und hielten ganz fachmännisch einen LKW an. Aber anstatt ihn nach Ausweis oder Führerschein zu fragen, ordneten sie ihm freundlich an, uns doch bitte in den grünen Streifen zu bringen, der sich 20 Kilometer außerhalb der Stadt befand. Der lachende LKW-Fahrer schien kein Problem damit zu haben, uns jugendliche Reisende und unsere monströsen Rucksäcke mit in sein Führerhaus zu nehmen und so absolvierten wir die letzte (erzwungene) Trampingfahrt wieder in einem LKW. Unser Zelt bauten wir zwischen den wohl einzigen Bäumen in der riesigen Steppe Kasachstans am Rande eines tosenden Flusses auf und knusperten am Lagerfeuer unsere besorgte Verpflegung. Jetzt schmunzeln wir unter Vollmond und glitzernden Sternen über die vielen netten Menschen, die uns heute wieder geholfen haben und die amüsanten Zwischenfälle, die wir auf unseren Reisen so täglich erleben.
Zufriedene Grüße aus dem warmen Kasachstan,
Elisa und Conrad
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