Wir haben genug von Jaipur. Die frischen Fruchtsäfte sind zu zahlreich um sie alle durchzuprobieren und es gibt einfach zu viele besondere kleine Entdeckungen zu tätigen, die aber so weit auseinander liegen, dass es uns nach etwas kompakteren, etwas größerem, etwas weltwunderigerem zieht. Der letzte Tag in Jaipur wurde also nur damit verbracht unseren Hosts und den Elefanten auf Wiedersehen zu sagen und wir machten uns mittags mit dem Minibus auf zum Bahnhof. Die überaus großzügig kalkulierte Zeit schmolz allerdings während der Fahrt auf ein kleineres Bisschen zusammen, denn in Indien geht es nicht darum den Fahrplan einzuhalten, sondern so viele Menschen wie möglich in den eigenen Bus zu bekommen. So versucht der Ticketverkäufer an jeder Station, mit mehr oder weniger sanfter Gewalt, Personen die zur falschen Zeit am falschen Wegrand stehen dazu zu bewegen, doch noch zum Bahnhof zu fahren und ihre eigentlichen Pläne zu streichen. Diese Methodik strapaziert aber nicht nur die Fahrtzeit durch die halbe Stadt, sondern auch die Nerven der Beförderten, die an jeder Haltestelle die Augen verdrehen und auf eine baldige Weiterfahrt hofften. Glücklicherweise hatten wir noch genug Zeit um am Ticketschalter eine Fahrtkarte von Agra nach Delhi zu erstehen und wir bekamen erstmal einen saftigen Schock. Da wir uns nicht für Holzklasse und Gummelzug entschieden hatten, mussten wir beim Ticketpreis von 10€ pro Person schon besorgt schlucken. Ein doppeltes Tagesbudget!
Der nächste Schock kam eigentlich wie erwartet: der Zug war natürlich verspätet. Gut dachten wir uns, die 20 Minuten mehr können wir verkraften und machten es uns mit gutem Chai und schrecklichem Essen auf dem überfüllten Bahnsteig neben Blumen, riesigen Eisblöcken und vielen Indern gemütlich. Leider hatten wir übersehen, dass nicht unser Zug 20 Minuten Verspätung hatte, sondern der vorherkommende Gleispartner und sich unser Zug somit immer weiter verzögerte, bis er nach 50 gemütlichen Minuten Jaipurs Bahnhof erreichte und wir endlich Platz auf den unbequemen Sitzen nehmen konnten. 50 Minuten dachten wir uns, da haben wir ja schon schlimmeres gelesen. Deshalb waren wir erst einmal auch recht froh gemut und freundeten uns mit unseren Sitznachbarn an, die im Agrar und Lederbusiness beschäftigt waren und gleich Geschäftsdetails mit ihren deutschen Banknachbarn austauschen wollten. Die geschäftliche Unterhaltung wurde nur ab und zu von Betpausen unterbrochen, denn auch im Zug muss Allah Gehorsam gezeigt werden wurde uns erzählt. Es ist schwer zu verstehen, aber es ist wohl angenehmer auf Metallpflöcken zu sitzen, als auf den Sitzbänken der günstigsten Zugklasse. Wenigstens war die Verpflegung top und alle 2 Minuten drängte sich ein vollbeladener Keks, Chai, Kekschai oder Chaikeks-Verkäufer durch die engen Gänge. Der anfallende Müll wurde anschließend mit einer lockeren Handbewegung aus dem Fenster auf die Schienen befördert. Der süße Chai, die langsam zuckelnde Bewegung des Zuges und das betörende Geplappere der Mitfahrenden versetzte einen in einen Tranceartigen Zustand, zumindest bis das laute Knallen eines entgegenkommenden Zuges, der an den offenen Fenstern vorbeikracht, einem das Herz in Stillstand versetzt und schreckhaft aufwachen lässt. Als wir 21:40 Uhr (unsere eigentliche Ankfunftszeit) merkten, dass wir noch 200 Kilometer entfernt waren wurde uns klar, dass die 50 Minuten Verspätung auf 1 1/2 Stündchen geklettert waren und wir wohl erst in tiefer Nacht den Zielbahnhof erreichen würden. Auch unsere indischen Mitreisenden waren von der Verspätung genervter als angenommen und legten sich protestierend auf die engen Folterbänke. Der stille Protest half leider nichts und wir erreichten erst um 23:30 Uhr mit schmerzenden Pobacken den ersehnten Bahnhof von Agra. Indien ist gefährlich in der Nacht? Ach Quatsch dachten sich die übermütigen deutschen Reiselustbolde und enterten nach einer kurzen Verhandelei das erste TukTuk um die Wohnung des wartenden Hosts doch noch vor Mitternacht zu erreichen. Das Glück war uns bei der Rikschareise genauso hold wie während des Zugtrips und wir saßen wohl im langsamsten TukTuk ganz Indiens. Vielleicht war es auch besser so, denn der halbblinde Fahrer war sich der Orientierung in der Nacht nicht mehr so ganz sicher und setzte schon bei Schrittgeschwindigkeit das auseinanderfallende Gefährt beinahe gegen Baum und Haus. "Meine Güte" entfuhr es uns, als wir endlich das Apartment erreichten und unseren schlafenden Host weckten, dem die Zugproblematik durchaus bekannt war und uns ohne meckern in unseren Raum führte.
Unser Taj Mahal Besuch wird dann im nächsten Blog thematisiert, so hab ich mich doch etwas ausführlicher mit den indischen Fortbewegungsmitteln beschäftigt.
Weltwunderliche Grüße,
Conrad und Elisa
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