Warum ich die 53 Hostelboys sehr vermissen werde


"Good morning" ertönt es am frühen Morgen, wenn ich mein gemütliches Bett (das die Größe einer ausgefalteten Zeitung hat) verlasse und mit Schlafsand in den Augen Richtung Küche taumle. Es bleibt mir also nichts anderes übrig, als ein Lächeln aufzusetzen und die Grüße zu erwidern. So wird man schon zu Beginn des Tages zu guter Laune gezwungen. Möchte man dann gemütlich seinen Frühstücksreis mit Ei genießen, ist es auch schon an der Zeit die Boys zu verabschieden, die sich trottend Richtung Schule aufmachen und einem mit wohligen Gefühl zurücklassen, all die Schmach der Schule bereits erfolgreich hinter sich zu haben. Besonders wenn die finalen Prüfungen anstehen, kann man erleichtert seufzen und in aller Ruhe die bräunende indische Sonne genießen.
Doch nicht nur gute Laune am Morgen ist mit den Hostelbewohnern unausweichlich, auch sportlicher Ertüchtigung ist dank unausgelasteter Jungs nicht zu entkommen.
Da möchte man für fünf Minuten die müden Knochen ins nussschalengroße Bettchen heifen, nachdem man Holz für halb Anekal gehackt hat und jede Bohne einzeln poliert und liebkost hat, schon hämmert es an der Zimmertür und es wird zum Volleyball spielen gerufen (gezogen). Durch die unzähligen Stunden, die ich in glühender Hitze auf dem sandigen Spielfeld verbracht habe, sind meine volleyballigen Fähigkeiten von beschämend schlecht auf "erstaunlich gut für einen Weißen" geklettert. Da das Ballspielen eine der wichtigsten Freizeitbeschäftigungen der Boys ist, verdanke ich Ihnen nicht nur bessere Fähigkeiten im Umgang mit dem ledrigen Spielgerät, auch Teamgeist und Motivation wird durch dauernde Konzentrationsaufrufe gesteigert. Lasse ich mich dann für einige Minuten nicht mit gefährlich schnellen Schmetterbällen beschießen, rette ich mich in den schützenden Schatten und kuschele ein wenig mit den anderen Schmusetigern, die am Spielfeldrand warten. Bei Massagen, Armgetatsche und sonstigen Liebkosungen kommt man ins Gespräch über Mädchen und sonstige überlebenswichtige Themen. Ernstere Unterhaltungen am Abend statt, wenn mann sich ungestört mit den einzelnen Rabauken unterhalten kann. Zukunftspläne werden genauso offen gelegt,wie die große Liebe ( nein leider nicht immer ich). Auch von der Familie erzählen die Jungs sehr viel und erwarten natürlich eine genauso genaue Berichterstattung über die Meinige, auch nach 7 Monaten. Findet man dann wieder in die größere Gruppe zurück, wird ordentlich gekuschelt, Händchen gehalten, Haare bewundert und Schimpfwörter auf Deutsch und Kannada beigebracht. 90% meines Kannadavokabular besteht dadurch aus wüsten Gemeinheiten und gemeinen Wüstheiten, womit man im Boyshostel allerdings auch erstaunlich weit kommt.
Alles in allem kann ich mir nicht vorstellen, wie ich die Zeit ohne tägliche Kuscheleinheiten, Liebesbekundungen, mörderischen Sport und lustige Gespräche mit den Boys überleben soll. Wer bringt mir denn jetzt bei, wie ich am besten Holz hacke, Gruben grabe, tödliche Schmetterbälle schmettere oder mich gegen den Klammergriff der 9. Klässler wehre?
Es war eine sehr lehrreiche Zeit und schöne Zeit für mich im Hostel und es gibt wohl kaum einen stärkeren Kontrast zu meinem Leben in Dresden, als die Zeit in Anekal. Jetzt mache ich mich aber erstmal daran, den verbleibenden Monat zu genießen und noch die ein oder andere Massage abzugreifen.
Grüße, Conrad 


















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