Jetzt wird es ruhiger. Die großen Feierlichkeiten werden extra auf die letzten Monate des Jahres gelegt, damit die Schüler bis März ohne größere Unterbrechungen den Prüfungsstoff pauken können. In diesem Glauben saßen wir noch Donnerstag Nachmittag im Garten, als eines der Mädchen erzählt, dass es am Abend nach Hause fährt, da am Freitag wieder einmal schulfrei ist und über das lange Wochenende Sankranti gefeiert werden würde. Und am nächsten Morgen waren auch schon wieder die Hälfte aller Kinder ohne weitere Vorwarnungen verschwunden. Also doch wieder ein Fest, hätten wir uns eigentlich auch denken können dass es Indien gar nicht viel länger ohne irgendwelche Feierlichkeiten aushalten würde. Es muss schließlich auch alles und jeder mindestens einmal im Jahr durch ein großes Fest geehrt werden.
Diesmal ist es für die Hindus eine Art Erntedankfest, bei dem vor allem Sonne und Kühe gehuldigt werden. Im Laufe des Tages werden, in kleinen Wettbewerben unter Nachbarn, kunterbunte aufwendige Rangolimuster vor die Haustüren gemalt und anschließend "Ellu-Bella" Leckereien, bestehend aus gerösteten Nüssen, Sesam, getrockneter Kokosnuss und Zuckerrohr Stückchen in der Nachbarschaft verschenkt.
Das Lieblingsritual der Kids ist jedoch das Schmücken der Kühe mit Blumenkränzen und das Bemalen der Hörner. Anschließend werden die Kühe in Tempeln oder einfach Häusereingängen mit viel Gesang und Glöckchengebimmel gesegnet.
Aber auch für die Christen in Anekal sollte es kein ruhiges Wochenende werden.
Im Glauben zu einem normalen Gottesdienst zu gehen, wanderten wir am Morgen mit den restlichen Kindern durch ein paar kleinere, sehr ärmliche Gassen Anekals aus denen uns jedoch Dutzende fröhliche Kinder zuwinkten, uns die schönen Rangolimuster zeigten und Happy Sankranti riefen.
Der normale Gottesdienst stellte sicher eher als eine große Open-air Gottesdienstfestveranstaltung heraus, damit es auch den Christen nicht zu langweilig wird, wenn alle anderen feiern.
Die Freude über diesen Gottesdienst hielt sich bei uns aber auch dieses Mal eher in Grenzen, denn nach 3 Stunden in der Hitze sitzen und schwitzen, kein Wort der ewigen Predigt verstehen und eigentlich auch nicht wirklich zu sehen was überhaupt passiert, da es so voll ist (und wir inzwischen versuchen, den Platz, der am weitesten von den überall aufgestellten Lautsprechern ist, zu finden), ist dann doch nicht so angenehm. Direkt neben den vielen roten Plastikstühlen war eine kleine Stadt aus riesigen Reiswannen aufgebaut, um die vielen hungrigen Mäuler zu stopfen. Sobald die Essenausgaben aufgebaut waren, interessierte es auch niemanden mehr groß, dass das Programm noch nicht zu Ende war, denn keiner wollte bei den Massen und der Hitze ewig lange auf sein Essen warten. Eigentlich hatte ich erwartet, dass gleich großes Gemecker losgeht, da sich alle irgendwo vorne anstellten und auch wir seitlich in die Schlange geschoben worden, aber die Familie neben mir freute sich viel mehr sich mit uns zu unterhalten und ließ und schließlich noch vor.
Am Abend gab es dann schon den nächsten Überraschungsausflug. Schon etwas hungrig ging es kurz vor dem Abendessen noch einmal "kurz" für alle, ausnahmsweise durften auch auch mal die Mädchen nach Einbruch der Dunkelheit das Hostel verlassen, nach Anekal.
Eine ganze Weile stapften wir durch das dunkle, verlassene und sogar fast ruhige Städtchen ohne eine genaue Vorstellung, was wir überhaupt suchten.
In der Ferne hörten man leise Musik, Getrommel und Gesang wie von einem Straßenorchester.
Und hinter der nächsten Ecke tauchten tatsächlich ein paar verkleidete Musiker auf, dann einige Ministranten die ein Kreuz trugen, und anschliessend immer mehr Menschen mit Kerzen und ein großer silberner Festwagen mit einer Jesusfigur und unzähligen Blumen. Ein kleiner alter Mann, eilt unermüdlich mit seinem Enkel vom einen Ende des Zuges zum anderen und drückt jedem eine Kerze, aus seiner großen Plastiktüte in die Hand. Dann beginnt die große Wanderung durch jegliche Straßen Anekals. In den Hauseingängen stehen hinduistische und muslimische Familien und beobachten fröhlich und neugierig die singenden Massen.
Ab und zu muss gewartet werden, weil der große Festwagen nicht so schnell um die schmalen Straßenbiegungen kommt, das Blinkkreuz wegen dem niedrig hängenden Kabelgewirr heruntergeklappt werden muss oder das Licht einfach aus geht, aber nach einigen Stunden kommen dann doch alle mehr oder weniger wohlbehalten mit schmerzenden Füßen, etwas Wachs an den Händen und ein paar angekokelten Haaren in der Kirche an. Jeder bekommt eine Handvoll Salz, welches auf den Festwagen geworfen wird und Wünsche durch das anschließende Essen einiger Körnchen erfüllen soll.
Einige Stunden später und nach einer sehr viel längeren Nachtwanderung als erwartet, geht es dann endlich wieder zurück ins Hostel und zum wohlverdienten Abendbrot.
Nun freuen wir uns schon auf die große Feier für den Republic Day nächste Woche.
Bis dahin sonnige Grüße aus dem sommerlichen und natürlich sehr ruhigen Indien,
Conrad und Elisa
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