Ein Schritt mit dem rechten Fuß nach außen, die Arme eng an den Körper gedrückt, gerade hingestellt und lautstark die Nationalhymne mitsingen. So sieht der Schulbeginn für alle Kinder in den indischen Grund- und weiterführenden Schulen aus. Ordentlich aufgereiht in, nach Geschlechtern getrennten, Reihen hören sie sich jeden Morgen die mehr oder weniger kurzen Ansprachen des Schulleiters an und geben keinen Mucks von sich. Wenn man das mit unseren verwöhnten Bennobratzen in Deutschland vergleicht könnte man schon vor Scham erröten. 700 pubertierende Schüler und man hört trotzdem ein Stecknädelchen auf den saubergefegten Boden fallen. Auch wenn der Rest Anekals der Zwischenspeicher für jeglichen Dreck Indiens zu seien scheint, sind im College der Jesuiten durchgehend 4 Frauen mit einem Besen unterwegs um jedes Staubkorn gekonnt einzusammeln und auf die Straße zu werfen. So gepflegt wie der Boden sehen auch die Schulkids aus. Ordentlich einheitliche Schuluniform, Mädchen dürfen ihre Haare nur in einem eng geflochtenen Zopf tragen und es sind nur kleine unauffällige Schmuckstücke erlaubt. Gedenkt ein Mädchen doch sich schminken zu müssen wird sie vom Schulleiter höchstpersönlich zurecht gewiesen. Das Gleiche trifft auch auf Jungs zu, die einen Ohrstecker haben oder ihr Hemd nicht ordnungsgemäß in die Hose stecken. Vergisst eins der Schulkinder seine Identitificationcard mit Blutgruppe und allem möglichen Schnickschnack zu Hause gibt es ein regelrechtes Drama. Entweder man wird sofort wieder nach Hause geschickt oder man muss eine saftige Strafe zahlen. So viel Disziplin und Ordnung muss aber auch sein, denn die Schüler sitzen in Klassen von 60-80 Leuten. Somit ist auch ein Einbinden der Schüler sehr schwierig und es wird nur frontal unterrichtet. Diese Erfahrung durften wir selber erleben, als wir einen Vortrag über das Internet gehalten haben. Als wir die Schüler zumindest ein bisschen einbinden wollten, scheiterte dieser Versuch kläglicher als kläglich. Anscheinend wurden die Kids in ihrer 11 Jährigen Schullaufbahn nicht einmal drangenommen und nach ihrer Meinung gefragt.
Verlässt man die Highschool nach der 10. Klasse und wechselt auf das weiterführende College hat man die Auswahl aus 3 Kombinationen mit jeweils 6 Fächern. Diese wählen aber nicht die Schüler nach Interesse sondern nach Schulnoten. Die besten Schüler wählen Science, um später Doktoren und Ingenieure zu werden (die anscheinend einzigen Berufe die in Indien etwas wert sind). Mittelklasseschüler wählen Economics um Bankmanager oder Accountants zu werden und die Schüler ist den schlechtesten Noten wählen Arts (Geschichte, Sprachen), hier wird von den Kids eher weniger erwartet. Allein an den Fächerkombinationen kann man also schon sehen, wie viel von einem Schüler zu erwarten ist, das ist nicht unsere Meinung, sondern die der Lehrer und Schulleiter. Das ist auch der Grund warum die Schulgebühren (100-200€ im Jahr) für die unterschiedlichen Richtungen nicht gleich viel kosten. Ein Scienceschüler ist halt doch etwas mehr wert :P
Als wir die Preise der Schulbücher entdeckten fielen uns fast die Augen aus. Entweder bekommen die Schüler die Bücher kostenlos oder sie müssen gerade einmal 1,20€ für ein Buch bezahlen. Allerdings sehen Inhalt und Qualität auch dementsprechend aus. Jedes Lexikon für Grundschulkinder scheint bessere Texte und besser recherchierte Inhalte zu haben als die Geschichtsbücher der 12. Klasse. Persönlichkeiten scheinen zum Beispiel in Indien wichtiger zu sein als Geschehnisse wie der 2. Weltkrieg. Quellen oder Bilder die man erkennen kann sucht man ebenfalls vergeblich. Folgendermaßen sehen auch die Tests und Klausuren aus. Wer erfand die Glühbirne? Welcher große Denker sagte dies und das? Was war die Farbe des Palastes von so und so? Bewerten und Interpretieren oder sonstige weiterführende Aufgaben konnten wir noch in keiner Prüfung finden.
Besonders großer Wert liegt darüberhinaus auch auf der Zelebration jeglicher Feste, egal ob es sich um große Hindufeste wie Diwali, den Lehrer- oder Kindertag oder einfach um den Geburtstag von irgendwelchen Persönlichkeit handelt, ein großes Programm ist immer garantiert. Es werden Berge von Rosen angeschafft, da allen wichtigen Gästen, Lehrern und der Schulleitung während der Begrüßungsrede mit einer Rose für das Kommen gedankt wird, der Boden wird mit kunstvollen Mandalas bestreut, Tänze und Gesang werden vorgeführt und alles endet mit einem Lied geträllert vom Schulleiter persönlich und einigen Reden, von allen die Lust haben ihre Meinung zum Bestn zu geben. Dabei lässt sich die Menge weder von ohrenbetäubenden Fiepen der Musikanlage, noch von Hitze, Kälte, Regen oder ewig andauernden Reden die Stimmung versauen. Denn endlich kann jegliche Disziplin über den Haufen geworfen werden und die ausgelassene Stimmung und der Lärmpegel wird schon beim ersten Ton eines neu angestimmten Liedes immer wieder auf die Höhe von Rockkonzerten und Fussballstadien gebracht.
Alle diese Erfahrungen haben wir im College in Anekal gemacht (das Schulgeld beträgt wie gesagt 100-200€ im Jahr) und nicht in den internationalen Schulen in Bangalore in die unsere Austauschschüler gehen (5000€ pro Jahr). Unterrichtet wird dort nämlich konform des Cambridgeschedules und neben einem Schwimmbad und ordentlichen Sportplätzem findet man auch eine gut eingerichtete Bibliothek und wesentlich kleinere Klassen. Doch machen diese Schulen nunmal einen sehr sehr kleinen Prozentsatz aus. Die meisten öffentlichen oder bezahlbaren privaten Schulen sind im Bereich unseres Eintrages zu finden. Dazu muss man trotzdem sagen, dass dies eine wesentliche Verbesserung zu der Zeit von vor 10 Jahren ist, denn selbst in den kleinsten Dörfern scheinen die Eltern verstanden zu haben wie wichtig Bildung für ihre Schützlinge ist und man sieh um 9 Uhr morgens 1000nde Schüler und Schülerinnen in den verschiedensten Uniformen durch Anekal stapfen. In jedes kleine Dorf fährt zumindest ein Schulbus um die wissbegierigeren Kinder in die Schulen zu bringen.
Wir hoffen wir konnten das indische Schulleben (der gewöhnlichen Leute) recht gut darstellen und grüßen lieb aus dem graukaltnassen, unweihnachtlichen Indien und wünschen allen unseren geliebten Lesern eine gesegnete und fröhlich familiäre, winterlichweihnachtliche Adventszeit.
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